Weil der Zusammenschluss mit dem US-Rivalen Praxair zum weltgrößten Hersteller von Gasen wie Sauerstoff und Helium nicht mehr als Selbstläufer erscheint, warfen Anleger am Montag die Aktien beider Unternehmen aus ihren Depots. Die Linde-Titel stürzten um zehn Prozent ab und waren bei weitem die größten Verlierer im Dax. Der Leitindex geriet deswegen selbst unter Druck und gab 0,5 Prozent nach. Die Praxair-Aktie verlor nach Börseneröffnung in New York sechs Prozent an Wert. Ein Grund dafür war allerdings auch, dass die Aktie wegen einer Dividendenzahlung ohnehin mit einem Abschlag von zwei Prozent gehandelt wurde.

Anlass der Sorgen waren unerwartete Bedenken der US-Wettbewerbsbehörde FTC (Federal Trade Commission) gegen den Zusammenschluss. Linde hatte am Wochenende mitgeteilt, dass die FTC höhere Hürden errichtet als bisher angenommen. Demnach reicht der bisher geplante Verkauf von Konzernteilen an Konkurrenten nicht, um kartellrechtliche Bedenken auszuräumen. Außerdem stelle die FTC bestimmte Anforderungen an die Käufer. Die Einwände sind ein Dämpfer für Linde-Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle, der die treibende Kraft hinter den Fusionsplänen ist. Linde und Praxair würden mit einem Jahresumsatz von rund 25 Milliarden Euro den bisherigen Branchenprimus Air Liquide überflügeln. Die Franzosen kommen auf Erlöse von 20 Milliarden Euro im Jahr.

Weil die FTC den Verkauf weiterer Unternehmensteile fordert, wird nach Angaben von Linde wahrscheinlich die offizielle Schmerzgrenze der Fusionspartner überschritten. Linde und Praxair wollen nach früheren Angaben Firmenteile mit maximal 3,7 Milliarden Euro Umsatz oder 1,1 Milliarden Euro Betriebsgewinn (Ebitda) abgeben. Falls das nicht reicht, steht für beide Partner der Sinn der Fusion infrage. Dieser Punkt ist für Linde aber bisher nicht erreicht: "Die Gespräche mit der FTC über die erforderlichen Veräußerungszusagen werden mit dem Ziel fortgesetzt, ein für die Beteiligten akzeptables Ergebnis zu erreichen", kündigte der Münchner Konzern an.

Branchenexperte Markus Mayer von Baader Helvea Equity Research erklärte, durch die neuen Forderungen verringerten sich die Einspareffekte, die Linde und Praxair erzielen wollen. Außerdem sinkte die Wahrscheinlichkeit, dass das Vorhaben rechtzeitig gelinge. Der Zusammenschluss muss bis spätestens 24. Oktober über die Bühne gehen, weil die Aktionäre nach deutschem Recht binnen zwölf Monaten Klarheit über das Gelingen einer Fusion haben müssen. Linde warf in seiner Mitteilung selbst die Frage auf, ob sich zusätzliche Firmenverkäufe überhaupt schnell genug umsetzen ließen. "Der Zeitdruck steigt", hieß es in einem Marktkommentar der Equinet-Bank.

SORGE VOR KETTENREAKTION

Außer der FTC müssen auch Behörden in Europa, China, Indien und Südkorea dem Deal noch zustimmen. Baader-Analyst Mayer äußerte die Befürchtung, dass höhere Hürden in den USA zu einer Kettenreaktion schärferer Auflagen in weiteren Ländern führen könnten. Branchenexperte Laurence Alexander vom Handelshaus Jefferies gab zu bedenken, dass Linde und Praxair unter dem steigenden Zeitdruck nur noch relativ niedrige Preise für zu verkaufende Firmenteile erzielen könnten. Das Analysehaus Independent Research warnte dagegen vor übertriebenen Sorgen: "Trotz deutlich gestiegener Unsicherheiten gehen wir in unserem Basisszenario weiterhin von einem Gelingen der Fusion aus", schrieb Independent-Analyst Bernhard Weiniger.

Reuters hatte im Juli berichtet, dass die EU grünes Licht für die Fusion geben wolle. Kartellrechtliche Bedenken der EU-Kommission seien ausgeräumt worden durch die Praxair-Zusage, sich für den geplanten Zusammenschluss von einem Großteil seines Europageschäfts zu trennen, sagten zwei mit dem Vorgang vertraute Personen. Der japanische Konzern Taiyo Nippon Sanso übernimmt einen Großteil des europäischen Praxair-Geschäfts für insgesamt fünf Milliarden Euro.

Linde verkauft in Amerika einen Großteil seines Geschäfts an den deutschen Rivalen Messer. Das hessische Familienunternehmen und der Finanzinvestor CVC übernehmen gemeinsam für umgerechnet 2,8 Milliarden Euro Firmenteile in den USA, Kanada, Brasilien und Kolumbien..