Von Laura Cooper

NEW YORK (Dow Jones)--Mittelgroße Pharmaunternehmen sind in diesem Jahr große Treiber von Fusionen in der Branche und verdrängen umsatzstärkere Konzerne. Normalerweise tätigen die größten Pharmakonzerne die meisten Deals nach Wert. Doch die Pharmariesen haben sich in diesem Jahr mit Akquisitionen zurückgehalten, da sie Schulden aus früheren Übernahmen abbauen und hohen Übernahmezuschlägen widerstehen müssen. Stattdessen haben mittelgroße Pharmafirmen, die zuvor Ziele ihrer größeren Konkurrenten waren, am meisten für Akquisitionen ausgegeben. Angetrieben werden sie durch neue Kapitalquellen sowie die Notwendigkeit, sich langfristiges Wachstum zu sichern.

Laut dem Pharmadatenanbieter Evaluate haben Midcap-Pharmaunternehmen in diesem Jahr bisher neun Übernahmen im Wert von 13,1 Milliarden US-Dollar getätigt, etwa doppelt so viel wie die größeren Pharmakonzerne für acht Übernahmen in diesem Zeitraum. Zu den größten Deals in der Branche in diesem Jahr gehörte die Vereinbarung des mittelständischen Unternehmens Jazz Pharmaceuticals im Mai, den Cannabinoid-Hersteller GW Pharmaceuticals für 6,7 Milliarden Dollar zu kaufen. Ebenfalls milliardenschwere Deals tätigten Horizon Therapeutics und Morphosys.


Ein einziger Zukauf kann das Aus für ein Unternehmen bedeuten 

"Das ist ein Zeichen für ihre Reife und die erweiterte Reichweite der Kapitalmärkte für diese Unternehmen, die zuvor weitgehend ausgeschlossen waren", hat Analyst Geoffrey Porges von SVB Leerink beobachtet. Lizenzen und Übernahmen können Arzneimittelherstellern jeder Größe helfen, Löcher in ihren Pipelines sowie Portfolios zu stopfen und neue Produkte zu finden, um den Umsatz zu steigern. Wall-Street-Investoren treiben die Aktien der Unternehmen oft in die Höhe, wenn sie von einem Deal erfahren. Doch experimentelle Medikamente scheitern oft, und eine große Akquisition kann ein Unternehmen mit Schulden belasten.

"Eine einzige Transaktion kann ein Unternehmen untergehen lassen, besonders wenn es sich um eine sehr große Akquisition im Verhältnis zur Größe des Unternehmens handelt", warnt Analyst David Steinberg von Jefferies. Jazz, das einen Aufschlag von 50 Prozent für GW Pharmaceuticals zahlte, finanzierte seinen Bargeld-und-Aktien-Deal zum Teil mit Schulden in Höhe von 5,4 Milliarden Dollar. Darunter befinden sich 1,5 Milliarden Dollar in vorrangig besicherten Anleihen und ein Laufzeitdarlehen in Höhe von 3,9 Milliarden Dollar. Das Unternehmen will die Schulden schnell abzubauen.


Große Pharmakonzerne in der Vergangenheit sehr aktiv 

Der Deal würde Jazz sowohl helfen, den Umsatz zu ersetzen, der verloren geht, wenn das meistverkaufte Mittel - Xyrem - bald Generika-Konkurrenz bekommt, als auch zukünftiges Umsatzwachstum zu erwirtschaften, argumentiert Steinberg. Xyrem ist ein Medikament gegen Narkolepsie und machte im vergangenen Jahr etwa 70 Prozent des Umsatzes von Jazz in Höhe von 2,4 Milliarden Dollar aus. Das Hauptprodukt von GW Pharmaceuticals - Epidiolex - behandelt eine seltene Form der Epilepsie und erzielte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 510 Millionen Dollar.

Große Arzneimittelhersteller haben in den vergangenen zehn Jahren die meisten Übernahmen getätigt, da Konzerne von Astrazeneca bis Abbvie und Pfizer versuchten, ihr Angebot zu erweitern und Umsatzverluste durch auslaufende Patente mit Zukäufen auszugleichen. Von 2016 bis 2020 haben große Pharmakonzerne 178 Transaktionen im Wert von mehr als 452,3 Milliarden Dollar gestemmt, so Evaluate. Mittelgroße Pharmaunternehmen tätigten 155 Deals im Wert von rund 55,8 Milliarden Dollar.


Mangel an Übernahmezielen für große Akteure der Branche 

Ein Grund für die begrenzte Anzahl von Deals der großen Pharmakonzerne in diesem Jahr war laut Analysten der Mangel an Übernahmezielen, mit denen die Pharmariesen ihr Geschäft sinnvoll erweitern könnten. Mittelgroße Pharmaunternehmen, deren Wert zwischen 2,5 und 30 Milliarden Dollar liegt, streben schon seit Langem Lizenzverträge und eigene Übernahmen an. Neue Finanzierungmöglichkeiten helfen dabei. So konnte Morphosys trotz seiner damaligen Marktkapitalisierung von 2,9 Milliarden Dollar einen 1,7 Milliarden Dollar schweren Deal für den Krebsmedikamentenentwickler Constellation Pharmaceuticals abschließen. Die Deutschen verkauften einfach die Lizenzrechte für einige Wirkstoffe und Medikamente beider Unternehmen.

Für die Rechte erhielt Morphosys eine Vorauszahlung von 1,4 Milliarden Dollar von Royalty Pharma, die auch zukünftigen Meilensteinzahlungen zustimmte und voraussichtlich 100 Millionen Dollar in bar für Morphosys-Aktien bereitstellt. Constellation bringt zwei vielversprechende, wenngleich experimentelle Krebsmedikamente zu Morphosys mit. Diese wurden mit Hilfe eines aufstrebenden Bereichs der molekularen Forschung entwickelt, der als Epigenetik bekannt ist.

"Es gibt Finanzpartner, die Unternehmen dieser Größe dabei helfen, Innovationen durch M&A zu erwerben oder zu entwickeln", freut sich Morphosys-Vorstand Jean-Paul Kress.

Das in Dublin ansässige Unternehmen Horizon zahlte für seine 2,7 Milliarden Dollar schwere Übernahme von Viela Bio Anfang des Jahres in bar. Das Unternehmen finanzierte die Übernahme teilweise mit einer Fremdfinanzierung in Höhe von 1,6 Milliarden Dollar. Außerdem wurden Barmittel verwendet, unter anderem aus einem Börsengang im vergangenen Sommer in Höhe von 963,5 Millionen Dollar.

Viela steuerte zu Horizon ein kürzlich zugelassenes Medikament für eine seltene Immunkrankheit und zwei weitere in der Entwicklung befindliche Präparate für Immunkrankheiten bei, die laut Horizon ein Blockbuster sein könnten. Ende März verfügte Horizon noch über 812 Millionen Dollar an Barmitteln und Äquivalenten. Das Unternehmen plane, mehr Deals zu verfolgen, sagt Chef-Stratege Andy Pasternak. "Wir haben lukrative Jagdgründe, was die Größe von Transaktionen anbelangt, und das sorgt für den Unterschied."

Kontakt zur Autorin: unternehmen.de@dowjones.com

DJG/DJN/axw/brb

(END) Dow Jones Newswires

July 06, 2021 04:39 ET (08:39 GMT)