Von Jinjoo Lee

NEW YORK (Dow Jones)--Die Geothermie hat das Schlimmste aus beiden Welten - das Explorationsrisiko von Öl und Gas und das niedrige Renditeprofil von Solar- und Windenergie. Was hat die Energiewirtschaft davon? Chevron, das sein Geothermie-Geschäft 2017 veräußert hat, taucht mit Pilotprojekten oder frühen Explorationsprojekten in Kalifornien, Japan und Indonesien wieder als Investor in Erscheinung. Andere Unternehmen, die sich mit Geothermie beschäftigen, sind BP, Shell, Continental Resources, Chesapeake Energy und Murphy Oil. Auch wenn das Investitionsvolumen gering ist, scheint ihr Interesse dazu beigetragen zu haben, geothermische Technologien wieder aufs Trapez zu hieven.

Laut einer im Januar veröffentlichten Studie einer Gruppe von Forschern der University of Texas in Austin und anderen wurden in den vergangenen 18 Monaten mehr geothermische Startups gegründet als in den vergangenen zehn Jahren zusammen. Obwohl nur wenige der aufkommenden Erprobungen das Stadium der Kommerzialisierung erreichten, stehe die Branche vor einigen Durchbrüchen, berichtet Geowissenschaftlerin Amanda Kolker vom National Renewable Energy Laboratory.

Die Öl- und Gasindustrie war schon immer ein natürlicher Partner für die Geothermie, die die Wärme unter der Erdoberfläche anzapft. Ölfelddienstleister wie Halliburton, Baker Hughes und SLB, früher bekannt als Schlumberger, sind alle seit Jahrzehnten auf dem Feld der Geothermie tätig. Bei der Geothermie kommen viele der gleichen Bohrtechnologien wie bei Öl und Gas zum Einsatz, auch wenn geothermische Bohrungen anders ausgeführt werden, so Ann Robertson-Tait. Sie ist Präsidentin von Geothermex, einem Beratungsunternehmen für geothermische Energie, das SLB im Jahr 2010 übernommen hat. Die Geothermie unterscheidet sich von anderen erneuerbaren Energiequellen, da sie rund um die Uhr verfügbar und nicht vom Wetter abhängig ist. Außerdem benötigt sie im Vergleich zu Solar- und Windkraftanlagen weniger Land. Laut einem Merkblatt der Universität von Utah bedarf eine typische geothermische Anlage weniger als 5 Hektar Grundfläche.


   Noch führt die Geothermie ein Mauerblümchendasein 

Trotz dieser Vorteile hat die geothermische Energie nicht viel an Fahrt gewonnen. Während die Öl- und Gasindustrie weltweit jährlich etwa 60.000 bis 70.000 Bohrungen vornimmt, waren es im vergangenen Jahr gerade einmal 800 geothermische Bohrungen, so Henning Bjørvik von Rystad Energy. In den USA wurde die meiste geothermische Kapazität in den 1980er Jahren installiert und ist seither nicht wesentlich gewachsen. Nach Angaben der US-Energy-Information-Administration (EIA) betrug der Anteil der Geothermie an der Stromerzeugung in den USA im Jahr 2021 weniger als 0,4 Prozent. Schuld daran ist die Kombination aus hohem Risiko und hohen Kosten. Wie bei fossilen Brennstoffen birgt die Suche nach einer guten geothermischen Ressource Risiken unter der Erde. Und während Öl und Gas relativ schnell genehmigt und gebohrt werden können, dauert es laut einem Bericht des National Renewable Energy Laboratory aus dem Jahr 2021 oft sieben bis zehn Jahre, bis ein Geothermieprojekt in Betrieb genommen werden kann.

Das Problem sind rechtliche und finanzielle Hindernisse. Laut Lazard rangierten die nicht-subventionierten Energiekosten für Geothermie im Jahr 2021 etwa doppelt so hoch wie die von Wind- und Photovoltaik-Solarenergie. Die Rendite von Geothermie-Projekten liegt laut der Studie der texanischen Universitätsforscher bei etwa 6 bis 8 Prozent, ähnlich wie bei Solar- und Windprojekten. Das rangiert weit unter den zweistelligen Renditen, die Öl- und Gasunternehmen anstreben.

Die Öl- und Gasunternehmen untersuchen Technologien, die zu einer Verbesserung der Rendite beitragen könnten. Barbara Harrison von Chevron New Energies sagt, das Unternehmen konzentriere sich auf neue geothermische Technologien, einschließlich verbesserter geothermischer Systeme. Bei dieser Technologie werden mit Hilfe des so genannten Hydraulic-Fracturing Wege geöffnet, durch die gepumpte Flüssigkeiten im Untergrund erhitzt werden können. Neuartige Technologien würden es ermöglichen, Geothermie an mehr Orten zu nutzen. Das wäre dann nicht nur in der Nähe von vulkanisch aktiven Gebieten und sie könnte am Ende mit Solar- oder Windenergie in Verbindung mit Energiespeicherung konkurrieren.


   Öl- und Gasbranche hat genug Lobby-Kraft für Durchbruch in der Geothermie 

Der Erfolg der Geothermie wird zum Teil davon abhängen, ob sich die Öl- und Gasindustrie daran beteiligt. Ein Ansturm von Kapital dürfte dazu beitragen, dass die Kosten für die Geothermie in dem Maße sinken, wie dies bei der Schiefergasgewinnung der Fall war. Die Industrie hat auch die Lobbykraft, um auf eine geothermiefreundliche Politik zu drängen. Aber es wird nicht so einfach sein, wie es bei der Reform der Genehmigungsverfahren oder den Subventionen für die Kohlenstoffabscheidung der Fall war. Günstige, weithin verfügbare Geothermie wäre ein direkter Konkurrent für die Strom- und Wärmeerzeugung aus Erdgas. Kleine Investitionen in die Geothermie sind ein unkomplizierter grüner Impuls für die heutige Öl- und Gasindustrie. Ein echter Durchbruch könnte die tieferen existenziellen Fragen der fossilen Energiewirtschaft erst so richtig ins Bewusstsein der Gesellschaft treiben.

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April 05, 2023 04:33 ET (08:33 GMT)