Von Charley Grant

LONDON (Dow Jones)--Das Rennen um den ersten Impfstoff gegen Covid-19 ist gelaufen. Der Kampf um Marktanteile beginnt aber erst gerade.

Großbritannien hat eine Notfallgenehmigung für den Impfstoff von Pfizer und Biontech erteilt. Mit der Verabreichung des Vakzins soll nun zügig begonnen werden. Auch der Impfstoff von Wettbewerber Moderna steht kurz vor seiner ersten Zulassung.

Beide Impfstoffe haben in Studien Erfolgsquoten von über 90 Prozent bewiesen. Das erhöht die Hürden für Wettbewerber. Ein Vakzin der Oxford University und Astrazeneca scheint deutlich dagegen weniger wirksam zu sein als das von Moderna oder Biontech.

An der Börse wurde die hohe Wirksamkeit der Impfstoffe bereits honoriert. Biontech-Aktien sind innerhalb eines Monats um 30 Prozent gestiegen, die von Moderna haben sich sogar verdoppelt. Das ergibt Sinn, denn die Hersteller verkaufen das Serum zu Fixpreisen an die Regierungen. Das verspricht riesige Gewinne im kommenden Jahr. Zudem zeigt die Zulassung, dass die neuartige Technologie der Impfstoffe erfolgsversprechend zu sein scheint und auch weitere Vakzine realistisch erscheinen. So forscht Biontech beispielsweise an Impfstoffen zur Behandlung von Krebs.

Investoren sollten jedoch nicht voreilig sein und annehmen, dass ausgerechnet diese beiden Unternehmen den riesigen Markt dominieren werden und das auch noch für immer. Wichtige Fragen zur Nachhaltigkeit der jeweiligen Impfprogramme müssen erst noch beantwortet werden.

Erst einmal wird es dauern, bis die Vakzine tatsächlich ihre Empfänger erreichen. Pfizer will bis Ende 2021 rund 1,3 Milliarden Impfdosen produziert haben, Moderna rechnet mit einer halben bis einer Milliarde Einheiten. Da immer zwei Spritzen erforderlich sind, reichen die Impfstoffe beider Wettbewerber für ungefähr eine Milliarde Menschen. Das ist eine Menge nach normalen Maßstäben, aber es gab wegen der Pandemie auch einen enormen Druck zur Eile.

Die Nachfrage nach Vakzinen ist so groß, dass genug Platz für Nachzügler ist. Johnson & Johnson könnte mit einem Produkt im Februar am Markt sein. Der US-Pharmakonzern könnte dann auf den Vorteil seines Impfstoffs verweisen, dass dieser nämlich nur einmal statt zweimal gegeben werden muss. Für die Menschen ist das bequemer und für das Gesundheitssystem weniger aufwendig. Auch muss das Vakzin nicht so aufwendig gekühlt werden wie das von Biontech und Pfizer. Das vereinfacht den Transport und die Verteilung der Impfdosen enorm. Das sind Vorzüge, die selbst dann Gewicht haben, wenn die Wirksamkeit bei Johnson & Johnson nicht ganz so hoch ist.

Ungeklärt ist auch die Frage, welche Börsenbewertung für die Impfstoffentwickler gerechtfertigt ist. So ist beispielsweise nicht bekannt, wie lange die Immunität der Menschen nach einer Impfung anhält. Sollte die Wirkung langandauernd sein, wären das tolle Nachrichten für die Wirtschaft und viele Menschen. Für die Impfstoffhersteller wären das aber schlechte Nachrichten, würden ihre Dienste doch seltener gebraucht.

Investoren mit deutlich gestiegenen Aktien im Depot sollten darüber nachdenken, ob sie sich nach dem tollen Erfolg nicht gegen schlechte Nachrichten immunisieren: Indem sie die Aktien verkaufen.

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(END) Dow Jones Newswires

December 03, 2020 07:46 ET (12:46 GMT)