Erschienen in der Frankfurter Rundschau am 23.12.2011

Ein neues Weltklima-Abkommen soll bis 2020 entstehen, so ist es kürzlich auf der Konferenz in Durban vereinbart worden. Kritikern dauert dieser Kampf gegen den Klimawandel viel zu lange. Der Allianz-Konzern sieht die Möglichkeit, mit privaten Mitteln mehr Investitionen für den Klimaschutz zu schaffen. Bedingung: Diese müssen abgesichert werden.

Herr Faber, wir wollen über das Weltklima sprechen. Wieso interessiert das Thema einen Versicherer so brennend?

Joachim Faber: Wir spüren die Folgen des Klimawandels bereits stark in unserem Versicherungsgeschäft. Das Jahr 2011 war noch einmal ein Weckruf für jeden, der es immer noch nicht verstanden hat. Es gab zwar nicht das eine Mega-Ereignis, das alle aufrüttelt, also keinen Wirbelsturm Katrina und keine Waldbrand-Katastrophe in Russland.

Trotzdem haben die Versicherungen wegen der vielen Ereignisse von den Überschwemmungen in Australien im Frühjahr bis zu denen in Thailand im Herbst noch nie so viele Katastrophenschäden bezahlen müssen wie dieses Jahr. Die Risiken und die Summen steigen.

Bedroht das Ihr Geschäft?

Faber: Kurzfristig nicht. Aber wenn der Klimawandel nicht gebremst wird, kann das passieren. Wenn Jahrhundert-Stürme im Zehn-Jahres-Takt hereinbrechen, wenn bis 2050 der Meeresspiegel um über einen halben Meter ansteigt, wenn 70 Prozent der Inder ihre Existenz verlieren, weil sich der Sommermonsun verschiebt, dann werden die Grenzen der Versicherbarkeit überschritten.

Es wäre die Aufgabe der Politik, das Problem schnell anzugehen. Der jüngste Klimagipfel in Durban hat beschlossen, vielleicht ab 2020 Ernst zu machen.

Faber: Das wäre viel zu spät. Ich sehe das sehr kritisch. Damit die weltweite Wirtschaft klimagerecht funktionieren kann, muss die Tonne CO2 einen Preis bekommen, der in die betriebliche Kalkulation eingeht, und es muss bis spätestens 2020 ein globales Emissionshandelssystem dafür eingeführt werden.

Wenn wir jetzt ein Jahrzehnt verlieren, bis der Klimaschutz weltweit angepackt wird, verzögert sich auch die Einführung eines solchen marktwirtschaftlichen Systems. Mit jedem Jahr, das wir warten, steigen die Kosten, um das Zwei-Grad-Limit der Erderwärmung noch einhalten zu können. Jeder wirkliche Unternehmer würde in dieser Situation zügig handeln.

Wenn die Politik ausfällt, was kann dann noch helfen?

Faber: Sie fällt ja nicht ganz aus. Es gibt Vorreiter wie Deutschland und die EU, auch in China tut sich viel. Peking entwickelt zum Beispiel einen CO2-Handel für mehrere Provinzen. Hauptbremser sind die USA, die sich sperren und den Entwicklungsländern damit das Argument liefern, vorerst auch keine international verpflichtenden CO2-Ziele einzugehen. Ich bin sehr pessimistisch, dass sich das bald ändert.

Also keine Rettung?

Faber: Verzagen hilft nicht. Eine Strategie ist: Die Vorreiter müssen weiter aktiv bleiben. Europa sollte sich dafür entscheiden, bis 2020 den Treibhausgas-Ausstoß nicht nur wie geplant um 20, sondern um 30 Prozent gegenüber dem Basisjahr 1990 zu verringern. Dadurch gewinnt nicht nur der Klimaschutz.

Mit den richtigen Rahmenbedingungen versehen, wäre das ein kraftvolles und fokussiertes Konjunkturprogramm für den gesamten Kontinent. Ein solches Bekenntnis wäre ein Befreiungsschlag. Investoren wissen dann, wo künftig die Musik spielt und wo sie ihr Geld ertragreich in neue Sektoren anlegen können.

Aber gerade die deutsche Industrie warnt vor dem 30-Prozent-Ziel.

Faber: Es ist mir ein völliges Rätsel, wieso man sich in der deutschen Wirtschaft und ihren Verbänden nicht wesentlich mehr auf die Chancen besinnt, die darin stecken. Deutschland ist dank der Vorreiterrolle bei den erneuerbaren Energien Weltspitze geworden. Es gibt wenige Sektoren, für die man das sagen kann. Die Chinesen sind uns bei den Öko-Energien inzwischen dicht auf den Fersen, und wir müssen uns anstrengen, nicht zurückzufallen.

Die Investitionen in erneuerbare Energien sind 2010 mit 211 Milliarden US-Dollar weltweit auf einen neuen Rekord gestiegen. Trotzdem reicht das bei Weitem nicht, um die Wende zu einem nachhaltigen Energiesystem und für die Anpassung an den Klimawandel zu finanzieren. Wo könnten die gigantischen Summen dafür herkommen?

Faber: Geld gibt es genug, es muss mobilisiert werden. In Lebensversicherungen und Pensionsfonds sind derzeit weltweit rund 55000 Milliarden US-Dollar angelegt. Gelänge es, nur ein Prozent davon pro Jahr für Klimaschutz-Projekte zu aktivieren, wären das bereits 550 Milliarden Dollar. Das wäre über fünf Mal soviel, wie der beim Durban-Klimagipfel beschlossene "Grüne Klimafonds" ab 2020 jährlich in den Entwicklungsländern investieren soll.

Viele Entwicklungsländer fordern, die reichen Staaten sollten ihre öffentliche Entwicklungshilfe aufstocken, um den Klimafonds zu füllen.

Faber: Das ist nicht realistisch - schon gar nicht angesichts der Haushaltsnöte, in denen sich die hoch verschuldeten Industrieländer befinden. So werden die benötigten Summen nicht zusammen kommen. Der private Sektor kann die Lücke füllen, zumal die anstehenden Projekte - Windparks, Stromnetz-Ausbau, Speichertechnologien, Energieeffizienz - langfristig angelegt sind und damit ideal zum Profil der Lebensversicherer und Pensionsfonds passen. Sie brauchen für ihre Kunden langfristige Investitionsmöglichkeiten, die eine sichere und stabile Rendite abwerfen.

Trotzdem fließt bisher nur ein homöopathischer Teil der Gelder in den Klimaschutz. Was muss sich ändern?

Faber: Am wichtigsten ist: Die Investitionen müssen sicher sein. Lebensversicherer haben ja nicht die Hauptaufgabe, die Welt zu retten, sondern das Geld ihrer Kunden rentabel und sicher anzulegen, damit sie ihren Lebensabend damit gestalten können. Aber es ist möglich, beides zusammenzubringen.

Wie genau?

Faber: Regierungen oder internationale Entwicklungsbanken, etwa die Weltbank, die asiatische oder die afrikanische Entwicklungsbank, sollten speziell für diese Investitionen langfristige Garantien geben - besonders in Entwicklungsländern, wo die Investitionsbereitschaft wegen schneller Regierungswechsel, Korruptionsanfälligkeit oder hoher Inflation bisher gebremst ist. Staaten könnten die Erträge aus solchen "Klimabonds" auch geringer besteuern als andere Anlagen.

Wichtig wären auch Abnahmegarantien für erneuerbare Energien, wie Deutschland das im Erneuerbare-Energien-Gesetz vorgemacht hat. Das mobilisiert privates Kapital für die Energiewende - und ist für den Staat allemal günstiger, als wenn er selbst die nötigen Investitionen aufbringen müsste. 

Welchen Einfluss haben die derzeit in der EU debattierten Eigenkapitalregeln für die Finanzbranche - Stichwort Solvency 2 - für Klima-Investments?

Faber: Das ist ein heikles Thema. Kommen die jetzt diskutierten Pläne durch, würde das die Investitionen in Klimabonds geradezu abwürgen. Die Risikokapital-Anforderungen müssen abgesenkt werden, da sonst die Versicherer als Investoren komplett ausfallen.

Bei Solvency 2 werden teilweise realitätsferne Annahmen getroffen. So muss im Standardmodell nach den derzeitigen Entwürfen die Regierungsanleihe eines EU-Landes mit null Risikokapital hinterlegt werden - obwohl in der Eurokrise jeder sieht, dass das Ausfallrisiko sehr hoch sein kann. Ein 30 Jahre lang laufender Infrastruktur-Bonds dagegen ist mit 49 Prozent Risikokapital zu hinterlegen. Ich prophezeie: So wird der nötige Push für die weltweite Energiewende ausbleiben.


Das Interview führte Joachim Wille.

Zur Person: Joachim Faber

Joachim Faber war bis Ende 2011 Vorstandsmitglied der Allianz SE und Vorstandsvorsitzender der Allianz Global Investors AG. Seit 2012 ist er Verwaltungsratsmitglied der Allianz Investment Management SE (AIM). Die AIM ist für die Investmentaktivitäten der Allianz Versicherungsgesellschaften weltweit zuständig. Der Jurist war vorher für die Citicorp in Frankfurt und London tätig gewesen. Zur Allianz wechselte er 1997. Für den Klimaschutz und nachhaltige Geldanlagen engagiert sich Faber seit Jahren. Er ist Mitglied des Rates für nachhaltige Entwicklung, der die Bundesregierung berät.


Diese Aussagen stehen, wie immer, unter unserem Vorbehalt bei Zukunftsaussagen, der Ihnen oben rechts zur Verfügung gestellt wird.

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