Moskau (Reuters) - Russlands Notenbank hat den Leitzins erstmals seit den Anfängen der Invasion der Ukraine wieder erhöht.

Sie hob ihn am Freitag überraschend kräftig um einen vollen Punkt auf 8,5 Prozent an. Die von der Nachrichtenagentur Reuters befragten Experten hatten lediglich eine Anhebung auf ein Niveau von 8,0 Prozent auf dem Radar. Das Ende der Fahnenstange dürfte noch nicht erreicht sein: Laut Notenbankchefin Elvira Nabiullina ist eine weitere Erhöhung das wahrscheinlichste Szenario. Auch wenn die Teuerungsrate zuletzt unter der von der Zentralbank angestrebten Marke von vier Prozent blieb, sehen die Währungshüter Inflationsgefahren.

Ein Grund ist die Schwäche der Landeswährung Rubel, die im Zuge der Wirren des Aufstands der Wagner-Söldner Ende Juni weiter an Außenwert eingebüßt hat. Experten gehen davon aus, dass dadurch die Preise für Waren und Dienstleistungen über die Sommermonate stärker anziehen dürften.

Der Rubel zog zum Dollar kurz nach dem Zinsentscheid um 0,15 Prozent an. Die Zentralbank macht sinkende Exporte und eine Erholung der Importe für die Schwäche des Rubels verantwortlich. Im Juni war die Zahlungsbilanz Russlands zum ersten Mal seit 2020 negativ. Die Zentralbank gab nun bekannt, dass sie ab August Gelder aus dem Staatsfonds NWF für Devisenmarkt-Interventionen verwenden wird. Das Limit für solche Transaktionen sei auf 300 Milliarden Rubel (rund 2,97 Milliarden Euro) pro Halbjahr festgelegt worden, um der Liquiditätssituation auf dem inländischen Devisenmarkt Rechnung zu tragen.

Die Notenbank rechnet zugleich damit, dass die Inflationsrate dieses Jahr bei 5,0 bis 6,5 Prozent landen wird und erst 2024 zum Stabilitätsziel von vier Prozent zurückkehren wird. Die Währungshüter haben mit einer flexiblen Zinsreaktion maßgeblich dazu beigetragen, die wirtschaftlichen Auswirkungen des Ukraine-Konflikts und der westlichen Sanktionen gegen Russland abzupuffern. Für dieses Jahr erwartet die Notenbank ein Wirtschaftswachstum von 1,5 bis 2,5 Prozent. In einer früheren Schätzung hatte sie lediglich einen Zuwachs beim Bruttoinlandsprodukt von 0,5 bis 2,0 Prozent veranschlagt.

Die Zentralbank hatte die Zinsen seit vergangenem September bei 7,5 Prozent belassen. Sie hatte wenige Tage nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine Ende Februar 2022 unter dem Eindruck des Rubel-Kursabsturzes den Leitzins von 9,5 Prozent auf 20 Prozent erhöht und später schrittweise wieder gesenkt.

(Bericht von Reuters, Elena Fabrichnaya und Alexander Marrow, Vladimir Soldatkin, bearbeitet von Reinhard Becker, redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)