Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--Die sich andeutende Spaltung der Weltwirtschaft in Blöcke um die USA und China kann nach Aussage von EZB-Präsidentin Christine Lagarde zu einer dauerhaft höheren Inflation und einem Angriff auf den US-Dollar als Weltreservewährung führen. Lagarde sagte in einer Rede im Council on Foreign Relations laut veröffentlichtem Text, ein weniger stabiles und flexibles Angebot an Rohstoffen und Waren könnte die Inflation langfristig um 1 Prozentpunkt steigen lassen.

Die Zentralbanken dürften nicht die nach der Ölkrise der 1970er Jahre gemachten Fehler wiederholen. "Sie waren kein Anker monetärer Stabilität, und die Inflationserwartungen verloren ihren Anker - dieser Fehler darf nie wiederholt werden, so lange Zentralbanken unabhängig sind und klare Preisstabilitätsmandate haben", sagte die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB).

Lagarde plädierte für ein Bündnis von Geld-, Fiskal- und Strukturpolitik: "Dabei geht es nicht um eine Einschränkung der Unabhängigkeit, sondern um die Anerkennung der gegenseitigen Abhängigkeit der einzelnen Politikfelder und um die Frage, wie diese ihr Ziel am besten erreichen können, wenn sie auf ein strategisches Ziel ausgerichtet sind."

Lagarde wies auch darauf hin, dass dem US-Dollar auf globaler Ebene Konkurrenten erwachsen könnten. Untersuchungen zeigten, dass ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Handel eines Landes mit China und dem Bestand an Renminbi-Reserven bestehe. Neue Handelsmuster könnten auch zu neuen Allianzen führen. "Eine Studie zeigt, dass Allianzen den Anteil einer Währung an den Währungsreserven des Partners um etwa 30 Prozentpunkte erhöhen können."

Lagarde zufolge könnte dies eine Chance für "bestimmte Länder" sein, die ihre Abhängigkeit von westlichen Zahlungssystemen und Währungen verringern wollen - sei es aus Gründen politischer Präferenzen, finanzieller Abhängigkeiten "oder aufgrund der Anwendung von Finanzsanktionen im vergangenen Jahrzehnt".

"Anekdotische Hinweise, einschließlich offizieller Erklärungen, deuten darauf hin, dass einige Länder beabsichtigen, verstärkt Alternativen zu den großen traditionellen Währungen für die Fakturierung des internationalen Handels zu nutzen, wie etwa den chinesischen Renminbi oder die indische Rupie", sagte die EZB-Präsidentin. Es sei auch eine zunehmende Anhäufung von Gold als alternative Währungsreserve zu beobachten, die möglicherweise von Ländern mit engeren geopolitischen Bindungen zu China und Russland vorangetrieben werde. "Sie deuten darauf hin, dass der internationale Währungsstatus nicht länger als selbstverständlich angesehen werden sollte."

Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com

DJG/hab/sha

(END) Dow Jones Newswires

April 17, 2023 14:14 ET (18:14 GMT)