- von Tom Käckenhoff und Christoph Steitz

Düsseldorf/Frankfurt (Reuters) - Auf der Suche nach einer guten Story für Investoren hat Thyssenkrupp-Chefin Martina Merz Insidern zufolge das milliardenschwere Zukunftsgeschäft mit Wasserstoff im Visier.

Merz prüfe, wie dies eine größere Bedeutung bekommen könnte, sagten mehrere mit der Angelegenheit vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag. Eine Schlüsselrolle spiele dabei die Anlagenbau-Tochter Uhde. Diese sei bereits jetzt in der Lage, Elektrolyse-Anlagen zu bauen, die grünen Wasserstoff produzieren. Wenn das Wasserstoff-Geschäft in Schwung komme, könne Uhde zu einem bedeutenden Gewinnbringer werden. Thyssenkrupp lehnte eine Stellungnahme dazu ab.

Die Tochter Thyssenkrupp Uhde Chlorine Engineers (TKUCE) gehört zu 66 Prozent Thyssen, den Rest hält der italienische De-Nora-Konzern. Thyssenkrupp hatte Uhde zuletzt in die Sparte Multi Tracks geschoben. Dort bündelt der Konzern zur Disposition gestellte Geschäfte mit insgesamt 20.000 Mitarbeitern, für die er keine nachhaltigen Zukunftsperspektiven in der Gruppe sieht und die in Partnerschaften eingebracht, verkauft oder geschlossen werden könnten.

Bei den Analysten der Deutschen Bank hatte dieser Schritt Verwunderung ausgelöst. Uhde sei immerhin Weltmarktführer bei der Chlor-Alkali-Elektrolyse. Angesichts der in den kommenden Jahrzehnten erwarteten hohen Investitionen in die Wasserstofftechnik könne dieses Asset einen erheblichen strategischen Wert entwickeln, schrieben sie im August. Der Wert könne bei einem Verkauf oder einem Börsengang die Marke von einer Milliarde Euro übersteigen. Konkurrenten Uhdes sind Asahi Kasei aus Japan, Bluestar Beijing Chemical Machinery aus China und der britische Chemiekonzern Ineos.

STOFF, AUS DEM DIE TRÄUME SIND

Wasserstoff spielt eine bedeutende Rolle bei der Erreichung der Klimaschutzziele. In der Stahl- oder Chemieindustrie kann dieser beispielsweise eingesetzt werden, um Werkstoffe und Chemikalien ohne klimaschädliches Kohlendioxid zu produzieren. "Grüner Wasserstoff gewinnt als Energieträger und CO2-freier Rohstoff für die chemische Industrie weltweit an Bedeutung", hob auch Thyssenkrupp in einer Pressemitteilung im Juni hervor. Die Kapazitäten sollten kontinuierlich ausgebaut werden. Die Bundesregierung treibt das Thema mit einer Wasserstoffstrategie voran, die Fördermittel in Höhe von insgesamt neun Milliarden Euro vorsieht. Weitere Milliardensumme stellt die EU zur Verfügung.

Thyssenkrupp stellt in der kommenden Woche seine Bilanz für das abgelaufene Geschäftjahr 2019/20 vor. Nicht zuletzt wegen hoher Verluste der Stahlsparte dürften die Zahlen tiefrot sein. Das Wasserstoffgeschäft wird zwar kaum von heute auf morgen zum neuen Verkaufschlager, bietet aber Perspektiven, auf die die Anleger warten. Auch beim Staat dürfte dies Gefallen auslösen. Merz sucht nach einer Lösung für die Stahlsparte. Die IG Metall fordert einen Staatseinstieg und auch für Merz ist dies eine Option.

Zahlreiche Konzerne wollen beim Wasserstoff mitmischen und treiben Pläne dazu voran. Dazu gehören etwa Salzgitter, Evonik, Uniper, E.ON oder RWE. Mit RWE arbeitet Thyssenkrupp bereits in einem Projekt zusammen. Danach könnte der Versorger an seinem Kraftwerksstandort in Lingen im Emsland auf dem Weg der Elektrolyse mit Erneuerbaren Energien Wasserstoff produzieren, der zum Thyssenkrupp-Stahlwerk nach Duisburg transportiert wird. RWE-Finanzchef Markus Krebber kündigte am Donnerstag an, das Wasserstoff-Geschäft deutlich auszubauen - der Manager setzt dabei auch auf weitere Partnerschaften.

(Reporter: Tom Käckenhoff, Christoph Steitz; redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter den Telefonnummern 030 2201 33711 (für Politik und Konjunktur) oder 030 2201 33702 (für Unternehmen und Märkte)