Frankfurt (Reuters) - Die Hoffnung auf baldige Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank (EZB) treibt die Börsen in Europa an.

Dax und EuroStoxx50 notierten am Freitagnachmittag jeweils knapp ein Prozent höher bei 18.106 und 5002 Punkten. Die Anleger fanden sich Experten zufolge damit ab, dass die US-Notenbank Fed 2024 weniger als die zuvor in Aussicht gestellten drei Zinssenkungen vornehmen wird. "Wer braucht schon Zinssenkungen, wenn die Wirtschaft gut läuft und die Konzerngewinne wachsen", konstatierte Johan Javeus, Chefvolkswirt der schwedischen Finanzdienstleisters SEB.

Für gute Stimmung sorgte die Bestätigung des Rückgangs der deutschen Inflation im März auf den tiefsten Stand seit fast drei Jahren. Mit 2,2 Prozent lag die Teuerungsrate zum Vorjahresmonat nahezu beim Zielwert der EZB von zwei Prozent. Dies bestärkte die Hoffnung der Investoren, dass die Währungshüter um EZB-Chefin Christine Lagarde die im Kampf gegen die Inflation angehobenen Zinsen früher als die Fed senken könnten. Lagarde sagte zwar am Donnerstag, dass sie dies nicht garantieren könne. "Aber es wird für die Fed in der nächsten Zeit tatsächlich schwieriger als für die EZB sein, die Zinsen zu senken", sagte Marcelo Carvalho, Chefökonom der französischen Großbank BNP Paribas.

ZINSSORGEN STÜTZEN DOLLAR - ÖLPREIS LEGT VOR WOCHENENDE ZU

Die Erwartung zunächst hoch bleibender Zinsen der Fed angesichts der zuletzt wieder gestiegenen Inflationin den USA drückte dagegen die Futures für die wichtigsten US-Indizes ins Minus. An den Terminmärkten wird die Wahrscheinlichkeit einer geldpolitischen Lockerung der Fed bei ihren Sitzungen im Juni und Juli auf rund 25 beziehungsweise 55 Prozent geschätzt. Bei der EZB sind es knapp 80 und 90 Prozent.

Der Dollar-Index rückte um 0,6 Prozent auf 105,91 Punkte vor. Der Euro verlor im Gegenzug 0,7 Prozent auf 1,06 Dollar. Das unter Anlegern als "sicherer Hafen" geltende Gold setzte indes mit einem Plus von bis zu 1,1 Prozent auf 2400,35 Dollar je Feinunze seine Rekordjagd fort. "Es werden rund um den Globus Kriege geführt, und die Zentralbanken kaufen Gold. Wenn wir uns die Geschichte anschauen, ist das schon immer so gewesen", sagte Luca Santos, Analyst beim australischen Broker ACY Securities.

Die anhaltenden Nahost-Sorgen sorgten auch für Kauflaune am Ölmarkt. Die Nordsee-Rohölsorte Brent und die US-Sorte WTI verteuerten sich um jeweils mehr als ein Prozent auf 90,83 und 86,27 Dollar pro Barrel (159 Liter). Laut Experte Ole Hansen vom dänischen Online-Broker Saxo gingen die Investoren von einer möglichen Zuspitzung der Lage in Nahost am Wochenende aus und griffen bei Öl zu.

Im Rampenlicht bei den Einzelwerten stand Varta. Die Aktien des schwäbischen Batterieherstellers brachen um mehr als 30 Prozent ein. Seine vor rund einem Jahr vereinbarte Sanierung greife zu kurz, um wie geplant bis Ende 2026 "auf einen profitablen Wachstumskurs zurückzukehren", räumte Varta am Donnerstagabend ein. Das klinge so, als sei der Fortbestand des Unternehmens nicht unbedingt garantiert, urteilte ein Händler.

Die hohen Energiepreise und Spekulationen über ein mögliches Übernahmeinteresse des arabischen Ölkonzerns Adnoc trieben dagegen den RWE-Kurs an. Die Papiere des Essener Energieriesen kletterten um 3,4 Prozent und waren damit die größten Gewinner im Dax.

Im Fokus an der Börse in London standen die Aktien von BP, die um mehr als drei Prozent zulegten. Der arabische Rivale Abu Dhabi National Oil Company (Adnoc) habe einen Kauf von BP erwogen, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstagabend unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen. Die Überlegungen seien allerdings nicht über Vorgespräche hinausgegangen.

(Bericht von Zuzanna Szymanska, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)