Larnaka/Kairo (Reuters) - Ein Schiff mit fast 200 Tonnen Nahrungsmitteln für die notleidende Bevölkerung im Gazastreifen hat am Dienstag Larnaka auf Zypern verlassen.

Die "Open Arms", ein Schiff einer spanischen Hilfsorganisation, schleppte einen Lastkahn mit Mehl, Reis und Protein-Produkten in Richtung des Palästinenser-Gebietes. Es handelt sich um ein Pilotprojekt für die Eröffnung einer Seeroute, auf der längerfristig Hilfsgüter an die infolge des Krieges zwischen Israel und der radikalen Palästinenser-Organisation Hamas vom Hunger bedrohten Menschen geliefert werden sollen. Einer Waffenruhe während des muslimischen Fastenmonats Ramadan werden derzeit keine großen Chancen eingeräumt.

Die Fahrt von Larnaka zum Gazastreifen dauert etwa 15 Stunden. Wegen des schweren Schleppkahnes könne sie auch bis zu zwei Tagen dauern, teilten zyprische Behörden mit. Zypern liegt etwas mehr als 320 Kilometer nordwestlich des Gazastreifens.

Der größtenteils von den Vereinigten Arabischen Emiraten finanzierte Hilfseinsatz wird von der in den USA ansässigen Wohltätigkeitsorganisation World Central Kitchen (WCK) organisiert. Das Schiff stellt die spanische Hilfsorganisation Proactiva Open Arms. "Unser Ziel ist es, eine Seeautobahn aus Booten und Lastkähnen zu errichten, die mit Millionen von Mahlzeiten bestückt sind und kontinuierlich in Richtung Gazastreifen fahren", erklärte WCK. 500 weitere Tonnen Hilfsgüter stünden zur Verschiffung in Zypern bereit, ein zweites Schiff werde in den kommenden Tagen starten.

Da es im weitgehend zerstörten Gazastreifen an Hafeninfrastruktur mangelt, baut die WCK nach eigenen Angaben einen Landungssteg mit Material aus zerstörten Gebäuden. Dies ist eine separate Initiative zu einem von US-Präsident Joe Biden vergangene Woche angekündigten Plan, einen provisorischen Pier im Gazastreifen zu bauen, um Hilfslieferungen auf dem Seeweg zu erleichtern. Sollte der Hilfseinsatz erfolgreich sein, würde dies die erste Lockerung der Seeblockade bedeuten, die Israel bereits 2007 gegen den Gazastreifen verhängt hatte. Ein Jahr zuvor hatte die radikale Hamas die Wahl dort gewonnen.

Die Regierung in Zypern erklärte, der Seekorridor biete eine schnelle Lösung, um Hilfe dort bereitzustellen, wo sie benötigt werde. Die Ladungen werden in Zypern von einem Team, dem auch Israelis angehören, überprüft. Damit entfällt die Notwendigkeit von Entladekontrollen.

HILFE AUCH DURCH ABWÜRFE AUS FLUGZEUGEN

Das US-Militär teilte mit, die "General Frank S. Besson" sei unterwegs, um auf dem Seeweg humanitäre Hilfe zu leisten. Zudem seien bereits per Fallschirm mehr als 27.600 Mahlzeiten und 25.900 Flaschen Wasser über dem Norden des Gazastreifens abgeworfen worden. Jordanische Medien berichteten, dass es am Montag sieben Abwürfe gegeben habe, an denen Jordanien, die USA, Ägypten, Frankreich und Belgien beteiligt waren.

Das UN-Büro für humanitäre Hilfe begrüßte die Bemühungen, Hilfe auf dem See- und Luftweg zu leisten, warnte jedoch, dass dies nicht ausreichen würde. "Es ist kein Ersatz für den Landtransport von Lebensmitteln und anderer Nothilfe nach Gaza", sagte Sprecher Jens Laerke. "Das kann es nicht wettmachen."

Die israelische Regierung erklärt sich für nicht verantwortlich für den Hunger im Gazastreifen, da sie Hilfe über zwei Grenzübergänge im Süden zulasse. Hilfsorganisationen zufolge reicht das aber nicht, um genügend Güter durchzubringen, geschweige denn, sie sicher in dem zunehmend gesetzlosen Kriegsgebiet zu verteilen. Nach UN-Schätzungen ist ein Viertel der Bevölkerung in dem zerstörten Küstengebiet vom Hungertod bedroht. Die Hilfe decke kaum den täglichen Bedarf ab. Die UN haben Israel vorgeworfen, die Hilfe für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen zu blockieren. Im Zuge des Krieges wurden die meisten der 2,3 Millionen Menschen in dem Küstenstreifen vertrieben. Mehr als die Hälfte leben im Raum Rafah im Süden in Zelten und haben kaum Nahrung oder medizinische Grundversorgung.

Nach Angaben der Gesundheitsbehörde im Gazastreifen wurden seit Beginn der israelischen Angriffe mindestens 31.184 Palästinenserinnen und Palästinenser getötet. Nahezu 72.900 Menschen wurden verletzt. Die UN haben die Angaben mehrfach als realistisch eingestuft. Das israelische Militär hat mit einer massiven Gegenoffensive auf den überraschenden Angriff der Hamas am 07. Oktober reagiert, bei dem nach israelischen Angaben 1200 Menschen getötet und 253 Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden.

(Bericht von: Michele Kambas, Stamos Prousalis und Yiannis Kourtoglou; geschrieben von Sabine Ehrhardt.; Redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)